6. November 2014

Der Hass gegen Fremde stellt sich in die Mitte: Eine Betrachtung der islamfeindlichen Bewegung PEGIDA in Dresden


Im Internet feiert das Bündnis PEGIDA - Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes ihren Erfolg. Mehr als 1000 Teilnehmer demonstrierten am Montagabend in der Dresdner Innenstadt gegen "Glaubenskriege auf deutschem Boden". Sie fordern mehr Hilfe für Bürgerkriegsländer vor Ort, um die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland zu begrenzen und die Straßen sicherer zu machen, wie sie sagen.



"Familien mit Kindern waren dabei, Dresdner Bürger aller Altersgruppen, Menschen, die sich Sorgen über eine Islamisierung ihrer Heimat machen und sich durch die Zunahme von Ausländerkriminalität nicht mehr sicher fühlen" heißt es in einem Beitrag, der auf Facebook mit viel Zuspruch bedacht ist. Zwischen ihnen jedoch laufen seit der ersten Demo vor drei Wochen mit 300 Personen auch mehrere Dutzend in der Szene als Neonazis bekannte Namen, sowie die NPD-Funktionäre Dietmar Grahl und Andreas Klose.
Ebenso bei den Demonstrationen sind Fußball-Fans, die von der Polizei als gewaltbereit eingestuft werden, erlebnisorientierte Jungmänner, genauso wie Althooligans. In den sozialen Medien werben vor allem rechtsextreme Gruppierungen und ihre Anhänger für die Veranstaltungen, so zum Beispiel "Faust des Ostens", gegen die seit Jahren ermittelt wird. Entsprechend geprägt war das Erscheinungsbild: vorwiegend männlich, sportlich und klar rechts eingestellt.

Der Ton unter den Teilnehmern ist deutlich lauter als die auf dem Podium der Initiatoren vorgetragenen Reden. "Wer Deutschland nicht liebt, muss Deutschland verlassen!" wurde wie auch Wochen zuvor mehrfach skandiert, "Wir wollen keine Salafisten-Schweine!“ reicht dem "normalen Bürger" ganz offensichtlich nicht. Der Bezug auf Nation, Heimat, Kultur und Identität legt den Demonstranten dann auch wie von selbst den '89er -Slogan "Wir sind das Volk!" in die Kehlen. Nicht für Jeden ist das ein (un)heimliches Schauspiel gewesen.

"Wir wollen friedlich und ruhig durch die Straßen ziehen ohne Ausschreitungen, ohne Nazi-Parolen und ohne Provokationen." (Lutz Bachmann, Anmelder der Demonstration)


Offenkundig ist PEGIDA inspiriert von HoGeSa, den Initiatoren war bewusst, dass sie in Fussballkreisen erfolgreich mobilisieren können. Die Initialzündung in Dresden soll Lutz Bachmann zufolge die Demonstrationen für Solidarität mit Kobane gewesen sein. So stellte er am 10. Oktober ein Video bei Youtube online und beklagte sich darüber, dass "auf unseren Straßen Waffen für die PKK gefordert" werde.
Die Thematik der Demonstration verfolgt also durchaus die aktuelle politische Debatte, die Teilnehmer sehen ihre Notwendigkeit aber vor dem Hintergrund der Angst, dass die Kriegsgebiete hier her kommen könnten. Die Situation in Syrien und Irak wird damit verbunden die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland kritisch zu sehen. Berichte zu deutschen Salafisten, die in den Djihad ziehen und der damit verbundenen Sicherheitsdebatte verstehen sie nicht als versagen unserer Behörden. Die Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Islamisten in Hamburg zB. sind in ihren Augen ein eindeutiges Zeichen, dass "die grausame Kultur des Islam" keinen Platz in Deutschland haben dürfe.

Die ernsten Probleme, die der Terror des Islamischen Staates mit sich bringt, interessieren die Teilnehmer der PEGIDA-Demonstrationen nicht. Ihr Slogan ist: "Keine Glaubenskriege auf deutschem Boden" - frei nach dem Motto "Wir sind dafür nicht zuständig".
Keine Solidarität mit den Betroffenen, mit den Menschen, die in Kobane kämpfen, den Flüchtlingen, die aufgrund dessen ihr Zuhause verlassen müssen. Es wird auch keine ernsthafte Kritik an Islamismus, Salafismus oder Djihadismus hervorgebracht. Der einzige Konsens bei dieser Veranstaltung ist die befürchtete Zuwanderung von Konfliktpotential, wonach es "in wenigen Jahren bei uns eben solche Zustände wie in den Ländern aus denen die Flüchtlinge kommen” geben werde, wie Lutz Bachmann in seiner Rede am vergangenen Montag prognostizierte.

Hier zeigt sich nicht nur der zynische Blick auf die aktuelle Lage in der Welt, sondern auch klar antimuslimischer und kulturalistischer Rassismus. Der Islam ist das Feindbild gegen das die Leute auf die Straße gehen. Sie wollen die Gesellschaft gegen eine vermeintlich drohende "fanatische, radikalreligiöse Unterwanderung unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur" verteidigen.
In ihrer Vorstellung sind die Kulturen des "Abend- und Morgenland" festgeschrieben und unvereinbar, im Zentrum ihrer Argumentation stehen nicht Menschen, sondern Kultur und Nation. Wer so denkt und das auch noch auf die Straße trägt, bekommt Gefolgschaft von Nazis und Rassisten und macht sich mit diesen gemein, auch wenn er bis zum Schluss behauptet selbst keiner zu sein.

"Jetzt geht´s los! Holen wir uns zurück, was uns gehört! Gott schütze unser Vaterland!" (Lars Kretzschmar, einer der Veranstalter auf Facebook)


Wie es mit PEGIDA weitergeht wird sich zeigen, das Bündnis will nun jeden Montag in Dresden demonstrieren. Es ist nicht ganz so genau vorherzusagen, ob die Veranstaltungen vielleicht einen ähnlichen Weg wie die neurechten Montagsdemos vom Frühjahr gehen und sich in ein paar Wochen zerlaufen. Anders als die Events der (neuen) Friedensbewegung 2014 hat die Demo in Dresden ein klar beschriebenes Konzept, das eben tatsächlich nicht wenige Menschen mobilisiert. Anders als bei HoGeSa in Köln hat man in Dresden, trotz einschlägig bekanntem Publikum, jegliche Form von Gewalt verhindern können.

Weiterer Nachdruck könnte entstehen, wenn die Bewegung mit eindeutigen politischen Forderungen flankiert wird, sich die allgemein formulierte Haltung gegen Flüchtlinge verbindet mit dem konkreten Protest gegen die Eröffnungen einer Notunterkunft beispielsweise. Es entstünde eine neue und gefährliche Dynamik, nicht nur für Dresden. Das Vernetzen mit anderen Städten und die Gründung einer übergreifenden Bewegung kann nicht ausgeschlossen werden, auf der Facebook-Seite von PEGIDA nehmen entsprechende Forderungen jedenfalls deutlich zu.